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MAGAZIN

Wie sagt man Sarkasmus auf deutsch?

Maria Vai com Todos

Bevor ich nach Berlin kam, blieb ich in einem Zimmer, das ich für zwei Wochen gemietet habe. Der Plan war (seid bitte so nett, lacht mich nicht aus. Ich war naiv! Ich wusste es nicht besser!) in diesen zwei Wochen alles an Bürokratie zu erledigen und eine Wohnung zu finden. Natürlich reichen zwei Wochen in Berlin nicht aus, weder um einen Termin für die „Anmeldung“ (die Registrierung bei einer Art Gemeinde hier im Dorf) zu bekommen, noch um eine Wohnung zu finden! 

Während der letzten Woche war ich schon verzweifelt auf der Suche nach einem neuen Zuhause, in dem ich einen Monat bleiben könnte, um alles zu regeln! Wer in Berlin lebt, weiß, dass es einfacher ist, einen Job zu finden, als eine Wohnung zu mieten! Deutlich mehr Nachfrage als Angebote und unzählige Formulare. Und, immer mit dabei, das Wunderwerk von deutscher Bürokratie - so hübsch und schnuckelig, dass ihr sicherlich schon Gedichte gewidmet wurden! Eines der vielen Details des (sexy) Lebens in Deutschland ist das „Nachname-am-Briefkasten-Haben“! Hier gibt es keine 3. Etage links. Nur Nachnamen am Briefkasten - und ohne Nachnamen am Briefkasten, keine Briefe!

Für die Anmeldung benötigen wir eine Adresse und einen Mietvertrag. Was wiederum bedeutet eine Wohnung zu haben. Und eine Wohnung zu haben bedeutet einen Briefkasten mit unserem Nachnamen zu haben - andernfalls kann der gute Briefträger nicht die Schreiben der Krankenversicherung zustellen und - ohne Krankenversicherung - auf Wiedersehen Deutschland! Daher, und auch wenn ich nur für einen Monat irgendwo wohnen wollte, benötigte ich WIRKLICH den Nachnamen am Briefkasten. Einfach, oder? Nein, denn dies ist nicht nur Berlin, sondern auch Deutschland. 

Immer wenn ich darum während der Gespräche für ein Zimmer/eine Wohnung bitten wollte, war der Gesichtsausdruck des Befragten so, als hätte ich gefragt: „Kann ich später wiederkommen und Ihnen einen Klaps auf den Allerwertesten geben?“ Einmal während des Gespräches, es fehlten nur noch zwei Tage bis zu meiner Obdachlosigkeit, d.h. ich war fast verzweifelt, habe ich mich entschlossen, auf dieser Sache zu beharren! Ernsthaft: Das Gespräch lief wunderbar, wir saßen da, auf einer Wellenlänge, ich versprach, die Pflanzen liebevoll und zärtlich zu gießen und trotzdem! 

„Aber wo liegt das Problem?“, sagte ich, während ich innerlich weinte! Bis es mir rausrutschte:

„Wenn ich jemanden umbringe, bin ich auch verantwortlich, oder? Die Polizei wird doch nichts gegen Sie unternehmen, nur weil ich meinen Namen an Ihrem Briefkasten habe!“

Was habe ich nur gesagt?! Die Antwort lautete:

„Wieso sagen Sie das? Wieso würden Sie jemanden umbringen? 

Natürlich ist meine Hoffnung auf ein neues Zuhause gleich dort gestorben. Ich habe es noch versucht mit Blablabla-Redewendung, Najanaja-War-Nur-Ein-Ausdruck, Um-Gottes-Willen-Nehmen-Sie-Es-Nicht-Ernst und Aber-Aber-Das-Sagt-Man-Nur-So, aber es war zu spät! Der Fall, mehr, die Wohnung, war verloren.

Am nächsten Tag habe ich die Episode einem deutschen Arbeitskollegen erzählt und er antwortete sowas wie „Wen willst du denn umbringen?“. Verdammt!  Später haben mir ausländische Kollegen, die erfahrener in der Kunst des „Umgangs mit Deutschen in Deutschland“ sind, ein Bild davon gemacht und mir erklärt, dass das (ironisch, sarkastisch oder sowas in der Art zu sein) in Deutschland nicht gemacht wird! Sie verstehen es nicht. Ok, lass uns nicht pauschalisieren: laut Sarkasmus-Studien verstehen es 99 % der Bevölkerung nicht!

Danach habe ich es verstanden und begriffen und akzeptiert und ich sage nichts mehr. Ab und zu rutscht mir hinterrücks ein Sarkasmus raus und ich stehe idiotisch da und muss erklären, dass, wenn ich behaupte meine Wohnung sieht nach dem Umzug wie ein Zeltlager aus, nur meine, dass sie voller Kisten ist und alles zerstreut herumliegt. Das heißt aber nicht, dass ich auf der Straße schlafe. Und wenn ich sage „ich habe ein Kinderrad“, ich damit ausdrücken will, dass ich kein Rad für Riesen habe, also für die deutsche Normalgröße von zwei Metern Beinlänge. Nein Leute, ich fahre nicht mit einem Dreirad zur Arbeit! Ich bin auch nicht mit Cristiano Ronaldo befreundet - meine Antwort, als ich auf den jungen Mann angesprochen wurde! Deshalb, wenn ich verkünde, dass diese grauen Tage mich bedrücken... in Wahrheit nörgele ich nur ein wenig, auf eine psychologische Behandlung kann ich verzichten. Immer diese Personen, die alles ernst nehmen! Seid doch vernünftig!

Text: Maria Vai com Todos

Übersetzung: Hauke Christian Hartje, hartje-übersetzungen, Berlin

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Maria Vai Com Todos

Maria Vai Com Todos kommt aus Coimbra. Voll von Zimmerleuten, mit einer offensichtlichen Berufung, eine Meinung über alles und nichts zu geben! Sie schreibt in Ihrem Blog, Maria Vai com Todos: Geschichten, Menschen, Orte und Reisen.

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