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Der Konig des Baião wird 100!
Foto: Illustration "100 Jahre Gonzaga" © Andrea Köster – www.kritzelkrabbe.de
Luiz Gonzaga (1912-1989) ist einer der bekanntesten Musiker Brasiliens und gilt als Schlüsselfigur in der Geschichte des Forró, welcher inzwischen auch in vielen Ländern außerhalb Brasiliens große Beliebtheit erlangt hat. In diesem Jahr wäre der "König des Baião" 100 Jahre alt geworden. Ein guter Anlass, um sein Wirken bis in die heutige Zeit zu reflektieren.
Luiz Gonzaga do Nascimento wurde am 13. Dezember 1912 in einem kleinen Ort im Hinterland von Pernambuco geboren und wuchs inmitten der Musiktraditionen Nordostbrasiliens auf. Von seinem Vater Januário, einem regional anerkannten Musiker, lernte er schon als Kind das Akkordeonspiel. In jungen Jahren begleitete Luiz ihn zu zahlreichen Volksfesten, wo er mit der Musik und den typischen Rhythmen des Nordostens vertraut gemacht wurde.
Bereits mit 14 Jahren trat er alleine auf und konnte neben der Arbeit auf dem Feld auch die Schule besuchen, was gerade einmal genügte, um alphabetisiert zu sein. Nach 10 Jahren Militärdienst, wo er aufgrund seiner guten Musikkenntnisse in der Militärblaskapelle eingesetzt wurde, versuchte Gonzaga sein Glück als Musiker in der Großstadt Rio de Janeiro. Doch erst als er begann die traditionelle Musik aus seiner Heimat (música nordestina) aufzugreifen, kam der Durchbruch zum Erfolg im Jahr 1940. Über das Radio wurde seine Musik schließlich im ganzen Land verbreitet und schnell wurde er zur Berühmtheit. Bei seinen Auftritten begann er, die traditionelle Lederkleidung der Kuhhirten des Nordostens und die typische Kopfbedeckung des berühmten Räuberhelden "Lampião" zu tragen - beides wurde zu seinem Markenzeichen und Symbol des brasilianischen Nordostens insgesamt.
Auf der Suche nach Begleitinstrumenten für sein Akkordeon schuf Gonzaga das für den Forró typische Instrumenten-Trio bestehend aus sanfona ('Akkordeon'), Triangel und zabumba ('große Rahmentrommel'). Diese drei stellten fortan die Basisinstrumentierung in seiner Musik dar.
Mitte der 40er Jahre führte das Lied "Baião" zur nationalen Verbreitung des geichnamigen Rhythmus, welcher revolutionär war und bald genauso häufig wie Samba gespielt wurde. Luiz Gonzaga wurde fortan der "Rei do Baião" ('König des Baião') genannt und ist seit dieser Zeit einer der wichtigsten Musiker Brasiliens. Sein wohl berühmteste Lied ist die "Asa Branca", welche als eine Art Forró-Hymne für die arme Landbevölkerung Nordostbrasiliens gilt. Kurzfilm “Forró” von Gundula Bergter In den 60er Jahren enwickelte sich aus dem Baião ein schnellerer Rhythmus, der Forró genannt wurde. Bis dato bezeichnete das Wort forró nur den Ort der Tanzveranstaltung - das Fest (auch als forrobodó bekannt) -, auf denen die música nordestina gespielt wurde. Vor allem als in den 50ern eine große Welle von Migranten aus dem Nordosten in die Metropolen des Südostens zog, wurden zahlreiche forrós in extra dafür eingerichteten Forró-Tanzhäusern veranstaltet.
Erst seit den 60ern wurde mit dem Wort Forró das gesamte Musikgenre bezeichnet - vermutlich von der Tonträgerindustrie eingeführt. Seinen Durchbruch auf dem internationalen Musikmarkt erlangte der Forró jedoch nicht. Die neue Musikrichtung Bossa Nova kam ihm Anfang der 60er zuvor, ebenso wie in den 80ern der Lambada. Innerhalb des Musikgenres Forró bildeten sich allerdings weitere Musik-bzw. Tanzstile heraus. Neben der traditionellen forró pé-de-serra ('Gebirgsfuß') genannt, entstand in den 80ern unter Verwendung moderner elektronischer Instrumente der forró eletrônico als kommerzielles Massenprodukt in Nordostbrasilien. Als Gegenbewegung dazu bildete sich in den Metropolen des Südostens in den 90ern der forró universitärio. Dieser berief sich wieder auf die qualitative Musiktradition und das Forró-Trio nach Gonzaga, veränderte und modernisierte sie aber durch eine Vielzahl neuer Instrumente und Musikrichtungen. Losgelöst von seiner regionalen Bedeutung ist der Forró heute in ganz Brasilien verbreitet und bei allen Generationen und Gesellschaftsschichten beliebt. Er nimmt in der brasilianischen Kultur einen bedeutenden Platz ein. Das bezeugt u.a. auch der 2005 eingeführte "dia nacional do forró". Dieser Nationale Tag des Forró findet jährlich an Luiz Gonzagas Geburtstag, dem 13. Dezember, statt.
Anlässlich seines 100. Geburtstags wurde ein Kinofilm "Gonzaga - De pai pra filho" produziert, der im Oktober 2012 in die brasilianischen Kinos kam. Sogar beim Karneval von Rio de Janeiro wurde Gonzaga zum Thema, mit dem die Sambaschule GRES Unidos da Tijuca den diesjährigen Sieg erlangte. Doch auch außerhalb Brasiliens wird dieses große Jubiläum gefeiert. In Lissabon wird vom 13. - 16. Dezember das "Baião in Lisboa Festival" veranstaltet. Vorreiter der Forró-Festivals in Europa ist übrigens Deutschland, wo seit 2008 zwei mal jährlich in Stuttgart und Aachen ein solches Spektakel realisiert wird. Imagefilm für das Forró Aachen Festival 2012 von Gundula Bergter Auch Köln und Berlin planen für das kommende Jahr erstmals ein Festival.
In Berlin ist das "Psiu! Forró Festival Berlin" für den 8.-10. März vorgesehen, welches vom "Tanzstudio Dança Frevo" organisiert wird. Am 13. Dezember zu Gonzagas 100. Geburtstag wird dort auch wie jeden Donnerstag ein Forró-Kurs stattfinden - Besonderheit dieses Mal: Es wird ausschließlich Musik von Luiz Gonzaga gespielt. Nach über 50 Jahren hat der Forró nun endllich die internationale Aufmerksamkeit erreicht, die man sich bereits in den 60er Jahren erhofft hatte. Auch wenn das Wort “Forró” der breiten Öffentlichkeit meist immer noch kein Begriff ist, so ist es doch wunderbar sagen zu können: Gonzagas 100. Geburtstag wird nicht nur in Brasilien gefeiert. Es lebe der "König des Baião"!
Weitere interessante Infos über Forró in Deutschland hier.
Text: Gundula Bergter