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Post-Punk trifft auf Tropicália: Karina Buhr
Foto: Karina Buhr @ Diego Ciarlariello
Karina Buhr gehört zu den aufregenden jungen Stimmen Brasiliens. Als „Patti Smith mit Kajalstift“ charakterisierte MTV die Musikerin mit dem Punklady-Outfit. Dabei hat Buhr ihre musikalischen Wurzeln gar nicht im Rock sondern im traditionellen Groove des Maracatú, der im Bundesstaat Pernambuco, wo die in Bahia geborene Buhr aufgewachsen ist, weit verbreitet ist. Buhr gehörte – übrigens neben der seit 2002 in Berlin lebenden Musikerin Neide Alves – zu den damals noch raren Meistertrommlerinnen dieses Genres. Buhr schlug die Caixa und sang bei illustren Bands und Musikern wie Mestre Ambrosio, DJ Dolores, Estrelha Brilhante do Recife, Antônio Nóbrega und der Rockband Cidadão Instigado, fast alles Projekte, die die traditionelle Musik Pernambucos mit neuen Einflüssen vermischen.
Auch solo verknüpft Buhr, die seit 2004 im Schmelztiegel São Paulo lebt, diese Traditionen geschickt mit modernen elektronischen Einflüssen. Ihr erstes Soloalbum „Eu Menti pra Você” wählte der brasilianische „Rolling Stone“ zu den zehn besten Alben des Jahres 2010, auch ihr zweites Album „Longe de Onde“ räumte 2013 etliche Auszeichnungen ab.
Nun spielt Karina Buhr erstmals solo in Berlin. Es ist aber nicht ihr erster Auftritt in dieser Stadt. 2005 gehörte sie als Schauspielerin und Musikerin zum Ensemble des Teatro Oficina Uzina Uzona bei seinem fulminanten Gastspiel mit dem Marathon-Theater „Os Sertões“ in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Die Inszenierung adaptierte den Roman des brasilianischen Nationalschriftstellers Euclides da Cunha für die Bühne und bot an fünf Abenden über 24 Stunden pralles Theater (Mehr auf deutsch und portugiesisch hier). Mit ihrer Band Comadre Fulozinha zeichnete Buhr für den Soundtrack der Abende verantwortlich, der 2002 mit dem Prêmio Shell São Paulo de Teatro als Bester Soundtrack ausgezeichnet wurde.
Das hinter den Aufführungen stehende Konzept des kulturellen Kannibalismus, das der Modernist Oswald de Andrade geprägt hat, kann man nun auch im Soloschaffen von Karina Buhr hören. Ihre Musik ist offen für neue Einflüsse, vermischt sie mit den eigenen Traditionen und lässt daraus etwas eigenes Neues entstehen. Post-Punk trifft auf Tropicália und mit „Telekphonen“ singt Buhr, die familiäre Wurzeln in Deutschland hat, sogar einen Titel auf deutsch über eine sich zunehmend entfremdende Liebe auf Distanz. Es darf wohl als sicher gelten, dass sie diesen Titel auf ihrem Berliner Konzert im intimen Rahmen des Clubs Marie Antoinette singen wird.
6.7., 22 Uhr, Marie Antoinette.
Eintritt 10 Euro.
Support: Dj Mako (SP), Dj Hp76 aka Hpsauce (PR), Dj Bebete (aka Renata Faccenda) (PE)
Text: Friedhelm Teicke