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Trautes Heim, Unglück allein?

„Wer suchet, der findet“, so lautet die Redensart. Aber wer heute eine Wohnung in Berlin sucht, hat immer mehr Schwierigkeiten, einen Platz für sich zu finden. An eine Wohnung oder ein Zimmer in Berlin zu gelangen, ist ein kompliziertes Unterfangen geworden, langwierig und teuer. In Berlin wohnhafte Portugiesen erzählen hier von ihren Erfahrungen zu diesem aktuellen Thema.

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Foto: Luis Bompastor

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Rita Guerreiro

Rita Guerreiro hat einen Bachelor in Audiovisuellem Design und Multimedia (ESCS – Escola Superior de Comunicação Social, Lissabon) und kam im Juli 2016 zu Berlinda. Sie ist Herausgeberin des Magazins und verantwortlich für die Website. Für Berlinda schrieb sie verschiedene Artikel und Interviews.

Luís Silva, freischaffender Regisseur aus Lissabon, kam im November 2017 nach Berlin. Die Auswahl der Stadt war etwas impulsiv. „Da es hier Produktionsfirmen und Regisseure gab, die mich inspirierten, und da das Leben hier im Vergleich zu anderen großen Städten, wie z. B. London, recht erschwinglich ist, schien es mir die richtige Wahl zu sein“, erzählt er uns. Der einzige Haken war: Er hatte keine Bleibe und keine Freunde in der Stadt. „Ich hatte keine Ahnung davon, was da auf mich zukam“, schildert er mit ironischem Unterton. So begann eine regelrechte Saga: die Suche nach einer Wohnung in Berlin.

ENTSCHEIDENDE AUSWAHLKRITERIEN: DURCHHALTEVERMÖGEN UND GEDULD 

„Stundenlang habe ich im Internet gesucht. Vor allem Zimmer in Kreuzberg und in Neukölln. Das waren die Viertel, die man mir als die besten zum Leben angepriesen hatte, und wo ich mich oft aufhielt“, ergänzt Luís. Er musste sieben Mal von Zimmer zu Zimmer umziehen und wohnte jeweils ein bis drei Monate lang (die längste Zeit waren sieben Monate) in verschiedenen Stadtteilen. Er erinnert sich, dass „die größte Enttäuschung war, pro Tag mehr als zwanzig Bewerbungen zu verschicken und kein positives Feedback zu bekommen“. Seit Januar dieses Jahres hat er einen langfristigen Mietvertrag und lebt in Neukölln.
 
Marta Setúbal war 2006 mit einem Erasmus-Stipendium das erste Mal in Berlin. 2010 kam sie wieder und musste drei Mal den Wohnort wechseln. Die Architektin hatte nie so große Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden, wie Luís. Ihre Wohnungen waren allesamt zentral gelegen. 2010 sah sie sich sogar nur zwei Wohnungen an und fand sofort etwas Geeignetes. Ihrer Meinung nach hatte sie Glück. Sie versuchte aber auch, die Suche auf eine etwas andere Art anzugehen: Sie antwortete auf Annoncen, die ohne Fotos online waren, auf Annoncen, die nach einigen Minuten wieder verschwanden, und auf Annoncen mit ungewöhnlichen Besichtigungszeiten, wie z. B. „sonntags um neun Uhr. Wo also weniger Leute auftauchen würden“, erzählt sie. Die Tatsache, dass sie eine sichere Arbeitsstelle mit Vertrag und den Papierkram immer griffbereit und gut vorbereitet hatte, war natürlich auch wichtig. Es scheint also so zu sein, dass die Zimmersuche in der deutschen Hauptstadt schwierig ist, es jedoch einige „Tricks“ gibt, die das Vorhaben erleichtern.
 
Das letzte Mal, als Marta umziehen musste, 2017, war jedoch alles anders. Sie besichtigte wenige Wohnungen, ließ aber von vornherein das Zentrum weg. „Ich habe nur in Pankow und Weißensee gesucht. Die zentral gelegenen Viertel habe ich sofort abgeschrieben, da ich wusste, dass es schwierig sein würde, und ich die Wohnungssuche rasch hinter mich bringen wollte.“ Sie fand schließlich eine Wohnung in Pankow, in der sie auch heute noch lebt.

„Da ich jetzt zwar noch einen Arbeitsvertrag habe, jedoch weniger verdiene, weil ich wieder studiere, bin ich weiter weg vom Zentrum gelandet“, klagt sie. „Im Grunde bin ich von dem Ort, wo ich wohnte und auch gerne weiterhin wohnen würde, weggedrängt worden!“

DIE SCHUHE BLEIBEN DRAUSSEN

Neuankömmlinge, die kein Deutsch sprechen, haben größere Schwierigkeiten, eine Wohnung zu finden. Laut Marta „wechseln sie von Untermiete zu Untermiete, in Zeitabständen von ein oder zwei Monaten. Es ist sehr schwierig … es gibt Hausbesichtigungen mit mehr als 100 oder 200 Kandidaten.“
 
In Berlin sind Gruppenbesichtigungen sehr verbreitet. Vor der Tür stehen dann reihenweise Schuhe – da man ja auch zur Hausbesichtigung die Schuhe auszieht. Dies kann dann als Maß der Wahrscheinlichkeit genommen werden, denn je mehr Schuhe vor der Tür stehen, desto unwahrscheinlicher ist es, die entsprechende Wohnung oder das Zimmer zu bekommen.
 
Luís erzählt von einer seiner Gruppenbesichtigungen: Es ging um ein gewöhnliches WG-Zimmer, in einer WG mit einer Deutschen und einem Italiener. Die Besichtigung wurde von beiden Bewohnern auf Englisch geführt: „Es waren so an die zwanzig Personen anwesend, und als ich ankam, waren schon drei in der Küche. Wir gingen dann alle zusammen das Zimmer ansehen. Dort haben wir uns mit der Person, die die Besichtigung machte, auf den Boden gesetzt und uns unterhalten.“ Bei diesen Besichtigungen ist es üblich, dass jeder Kandidat versucht, so gut wie möglich anzukommen, sich flexibel und so offen und cool zeigt, wie er kann, um seine Chancen zu steigern. Es gibt viel Konkurrenz und Luís spürte den Druck: „Alle kämpften um ein Zimmer. Die Stimmung gefiel mir nicht, dieses demonstrative Vorführen, dass man der beste Kandidat ist. Und das Zimmer war nichts Besonderes.“
 
Den Kandidaten werden Fragen gestellt, zu Staatsangehörigkeit, Tätigkeiten und Hobbys, um deren Eignung zu prüfen. Manche sind recht eigenartig: „Ich erinnere mich daran, dass die Frau uns fragte, ob wir Reggae mögen, da sie diese Musik gewöhnlich laut hören würde.“ Jede Besichtigung ist eine Erfahrung, bei der sogar die Gewohnheiten, was die Hygiene angeht, ausschlaggebend sein können. „Bei einer anderen Hausbesichtigung fragte man mich, wie lange ich zum Duschen brauche …“, erzählt uns Luís. Die Fragen an die Kandidaten bei Besichtigungen sind so detailliert, dass so mancher sie „Castings“ nennt. Die Tatsache, dass er Regisseur ist, noch dazu freischaffend, scheint die Zimmersuche auch erschwert zu haben. Sogar in Berlin bekam Luís zu spüren, dass dieser Beruf nicht als seriös genug angesehen wird. Die Leute meinen, ein Regisseur könne seine Miete am Ende des Monats nicht bezahlen. „Ich lebe von meinem Beruf, und wenn ich mehr Geld brauche, mache ich auch andere Arbeiten im Bereich Film, wie Farbabgleich, was ganz gut bezahlt wird“, erklärt uns Luís.
 
Das Wohnungsproblem betrifft in Berlin aber nicht nur die Neuankömmlinge, Auch Familien, die schon länger in Berlin leben, haben Schwierigkeiten. Viele wurden aus den Vierteln, in denen sie schon immer wohnten und wo sie die Nachbarschaft kannten, verdrängt, da sie die steigenden Mieten nicht zahlen können. Oder die Vermieter kündigten den Mietvertrag, um langfristige Mieter loszuwerden und die Miete zu erhöhen.
 
Und so wächst die Stadt weiter, breitet sich aus und ändert sich. Die Preise für Wohnraum steigen und keine Reglementierung scheint diesen Trend auf wirkungsvolle Art und Weise anhalten zu können. Die Gentrifizierung ist da, und die Diskussion über den Wohnraum wird von Jahr zu Jahr dringlicher. Schließlich ist laut Artikel 25 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Wohnrecht auch ein Menschenrecht.

Übersetzung: Rodolfo Martins

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