top of page

MAGAZIN

Berlin von innen nach außen

João Pedro Luis

Seit ich vor zweieinhalb Jahren nach Berlin gezogen bin, fragen mich oft andere Portugiesen, wie das Leben in der Stadt ist, ob es mir hier gefällt, ob es schwierig ist, sich anzupassen... und jedes Mal muss ich mir ein paar Sekunden Zeit nehmen, um meine Gedanken einsortieren als wäre es das erste Mal, dass ich auf diese Frage eine Antwort geben würde.

 

Der Grund dafür ist ganz einfach: Berlin hat keine Definition. An der Stelle einer Stadt haben wir einen Haufen von Bezirken, jeder mit einer Identität und Kultur, die nur ihnen gehört und nicht beeinflusst werden können. Statt einfach eine deutsche Stadt zu sein, es ist einen Ort, an dem Nationalitäten und Religionen wenig ausmachen und wo Toleranz für alle besteht, auch für diejenigen, die täglich versuchen, die Prinzipien der Demokratie mit rassistischen, fremdenfeindlichen und einwanderungsfeindlichen Aktionen zu zerstören. Es erlaubt uns auch nicht, in eine Routine zu fallen. Stattdessen gibt uns die Stadt jeden Tag die Möglichkeit, uns durch die Orte, die wir besuchen, die Menschen, die wir kennen und was wir uns selbst erlauben, wirklich kennenzulernen.

 

Genau sowie Berlin, wer hier lebt, kann auch nicht definiert werden. Es hat mich weder zu deutscher gemacht, noch mir erlaubt, weiterhin in Frieden mit meiner Nationalität zu leben, was ich immer für echt und unveränderlich hielt. Die Stadt hat mich zum Wahlberliner gemacht, weil niemand zufällig in Berlin lebt. Niemand lebt in Berlin, ohne in Berlin leben zu wollen. Berlin lehnt allen ab, die versuchen, es zu verändern, die sich nicht ändern wollen und hartnäckig einen festgelegten Lebensstil führen, diejenigen die nicht in der Lage sind Berlin von innen nach außen zu sehen.

 

Berlin gibt mir alles, was ich schon immer haben wollte, aber nie gesucht habe. Es erlaubt mir, mich selbst zu sein ohne Konsequenzen, die über das hinausgehen, was ich mir antue. Es erlaubt mir zu lieben und zu lernen, ohne irgendwas im Austausch zu erwarten. Eine bedingungslose und dysfunktionale Liebe, ein Stockholm-Syndrom, ein Willen aufzugeben, den ich nicht akzeptieren will. Es erlaubt mir, verloren zu sein und gleichzeitig in Frieden mit der Unbestimmtheit, der Orientierungslosigkeit und der Unsicherheit zu leben, und dies ist ohne Zweifel ein Privileg, das weit größer ist als das, was ich je versuchte zu erreichen.

 

Text und Foto: João Pedro Luis

Übersetzung: Édi Kettemann

Please reload

João Pedro Luis

João Luis ist ein Softwareingeneer aus Porto, der derzeit in Berlin lebt, um so viele Menschen wie möglich zu inspirieren, zu reisen, außerhalb von Portugal zu leben und aus der Komfortzone herauszukommen! Er hat einen eigenen Blog, in dem er oft über seine Lebenserfahrung in Berlin schreibt.

Please reload

bottom of page