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MAGAZIN

Die Lebensschritte einer Auswanderin

Mari Vass

Ich bin Fotografin und habe mich dazu entschieden, in Berlin zu leben. Punkt. Es war eine einfache und direkte Entscheidung (natürlich erst nach vielen inneren Konflikten). Seither fühle ich mich so, als wäre mein Kommen nach Berlin teil eines langfristigen Projekts und als würde ich jeden Tag Aufgaben durchführen, um dieses auszuarbeiten. Wo genau geht es hin? Ich bin mir nicht sicher, aber ich kann behaupten, dass die Überzeugung, die es bewegt, die ist, so glücklich wie möglich zu sein, während ich hier wohne.

 

Aber wie man sagt, das Glück ist nicht etwas, was wie ein Ziel erreicht werden kann, sondern eine Geisteshaltung, eine Art die Welt zu sehen. Und ich glaube fest an diese Maxime. Man muss nur die positive Seite von allem, was im Leben passiert, betrachten, so schwierig es auch scheinen mag. Und manchmal ist es wirklich so.

 

Der Anpassungsprozess in einem neuen Land ist ein Parcours, bei dem Hindernisse auftreten und einzeln gemeistert werden müssen. Schritt für Schritt, je mehr Aufgaben erledigt werden, umso mehr kommen wir weiter. Aber gleichzeitig treten neue und komplexere Aufgaben auf und wir müssen uns ihnen stellen, um nicht alles zu verlieren und disqualifiziert zu werden.

 

Die erste Sache, die mir Sorge bereitete, als ich in Berlin ankam, war die deutsche Bürokratie. Da ich Brasilianerin bin, ermöglichte mir mein Touristenvisum lediglich 3 Monate Aufenthalt. Und da ich zunächst für 6 Monate kam um Fotografie zu studieren, musste ich mich bewegen. Für die, die es nicht wissen: Hier muss man ein Dokument besitzen, das sich Anmeldung nennt, welches eine Art von Wohnsitzbescheinigung ist, die amtlich von der Regierung ausgestellt wird. Ohne dieses Dokument gibt es keine weiteren bürokratischen Wege, die angegangen werden können. Es wird für alles benötigt, auch um irgendein Visum zu beantragen.

 

Ich blieb für einen Monat in der Wohnung einer Freundin und jeden Tag bestand meine Routine aus Fotografie und der Suche nach einem Zimmer, das mir die Anmeldung ermöglichte (nicht alle angebotenen Zimmer erlauben, dass man sie für die Anmeldung verwendet).

Ich schaute auf Seiten, die Zimmer vermieteten, und in Facebook-Gruppen nach. Nachdem ich fast einen Monat gesucht habe, konnte ich ein Zimmer zur Miete finden, das mir die Anmeldung ermöglichte. Das Gefühl der erfüllten Aufgabe war herrlich. Ich genoss die Freuden dieses Augenblickes, aber blickte schon wachsam auf den nächsten Schritt, die Ausstellung meiner Aufenthaltsgenehmigung.

 

Es wird viel über die Schwierigkeiten mit der Terminvereinbarung bei der Ausländerbehörde gesprochen. Die Terminvereinbarung wird online durchgeführt. Im Allgemeinen, wenn verfügbar, sind nur Termine für die folgenden Monate oder manchmal überhaupt keine verfügbaren Termine im Kalender. Die Nachfrage von Personen, die eine Genehmigung möchten, ist höher als das Angebot an Terminen. Wie soll man in dieser verzweifelten Situation vorgehen?

 

Bei meinen Recherchen habe ich viele Geschichten über Menschen gelesen, die schon im Morgengrauen eine Schlange bildeten, um eine Wartenummer zu ergattern. Die meist empfohlene Zeit war fünf, sechs Uhr morgens. Stellen Sie sich diese Situation im Winter vor. Ich war damit nicht einverstanden, aber ich bereitete mich auf das Schlimmste vor. Dennoch habe ich einen Tipp erhalten, der mir sehr viel geholfen hat: Die Seite für die Terminvereinbarung immer um sieben Uhr morgens checken, da das System dann aktualisiert wird und die Termine, die abgesagt wurden, angezeigt werden. Dank dieser wertvollen Information musste ich morgens nie an der Tür warten und ging immer zur Ausländerbehörde mit einem von zu Hause vereinbarten Termin.

 

Der Schritt „Termin“ war überwunden, ich musste jetzt meine Papieren für den Visumsantrag vorbereiten. Da ich zum Studieren kam, dachte ich, dass ich mein Studentenvisum einfach beantragen könnte und alles erledigt sein würde. Doch so war es nicht. Als ich bei der Ausländerbehörde war, habe ich erfahren, dass meine Schule nicht im Bundesland registriert war und ich daher das von mir gewünschten Visum nicht beantragen konnte. Ich musste Plan B hervorrufen und zwar das Studentenvisum für Sprachschüler.

Dafür musste ich mich in einer Sprachschule mit Deutschintensivkursen anmelden und die Rechnungen für die drei Monate im Voraus bezahlten Beiträge mitsamt Krankenversicherung und anderen Dokumente vorzeigen. Ich bekam mein Visum, aber ein anderer Schritt begann sofort, und zwar den Tagesablauf des Deutschkurses mit dem der Fotografie zu verbinden. Ich betrachtete dies nicht als ein Hindernis, sondern als eine Chance, da ich seit klein auf davon träumte, fließend deutsch zu sprechen (obwohl ich mich zwischen der vielen der, die, das und den entsprechenden Deklinationen verliere).

 

Auswanderin zu sein bedeutet:

 

Ich gebe zu, dass alle Herausforderungen, die ich durchstehe, mich zu einer stärkeren und selbstsicheren Person gemacht haben. Auswanderer zu sein bedeutet tagtäglich das Unbekannte zu bewältigen. Man muss mit dem Unbehagen leben, nicht alles, was man möchte, ausdrücken zu können, da man noch nicht die Sprache beherrscht. Man muss mit verschiedenen Kulturen zusammenleben und sich an sie anpassen und anhand dieser Kulturen seine eigene zu verstehen. Und man muss sich neufinden, neue Wurzeln schlagen. Und sehr, aber wirklich sehr viel Geduld haben.

Ich weiß, dass ich mich gerade in der Aufbauphase einer soliden Basis für die Errichtung der Wände für einen guten, schönen und komfortablen Aufenthalt hier in Berlin befinde. Es ist ein beängstigendes und zugleich inspirierendes Verfahren. Ich verfolge weiterhin meinen Traum, die beste Fotografin auf der Welt zu sein, die ich sein kann und ich weiß, dass Berlin der richtige Ort dafür ist. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit!

 

Text und Foto: Mari Vass

Übersetzung: Hauke Christian Hartje, hartje-übersetzungen, Berlin

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Mari Vass

Mari Vass ist Brasilianerin und zog in August 2017 nach Berlin um. Sie hat einen Masterabschluss in Soziologie und sich entschieden, alles zu ändern, um Fotografin und Künstlerin zu werden. Sie glaubt, dass die Stadt viel zu bieten hat, vor allem in Bezug auf die Entwicklung ihres künstlerischen Potenzials. 

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